Donnerstag, 7. August 2014

Meuterei

Während die Glut der Lagerfeuer schon langsam verglühte, entflammte ein ohrenbetäubendes Gebrüll in unserem Lager: „Nieder mit dem Sultan! Nieder mit dem Sultan!“ durchzuckte die einstige Stille der Nacht. Die Gemüter waren erhitzt, der Wille gestärkt, der Mut erhoben, der Tatendrang kaum zu bremsen: Morgen würden wir den Sultan zur Rede stellen und unsere vollkommene Freiheit von ihm einfordern! Morgen würden wir ihn, wenn es sein musste, stürzen und uns nehmen, was uns zustand und seine Grenzen niederreißen.
Was war nur passiert? Hatten wir nicht erst gestern noch die Güte des Sultans gelobt? Seine Liebe geschätzt? Seine zuvorkommende Art gewürdigt? Was hatte unsere Meinung so ändern und unsere Wut und Entschlossenheit so entzünden können?
Die Dunkelheit der Nacht vermochte nicht nur die Natur, den Wald und unsere Zelte zum Schutz verborgen zu halten, sondern auch ganz anderes in sich einzuhüllen. In der Sanitäranlage brannte noch das Licht. Vereinzelt sah man zähneputzende Gestalten über die Paletten streifen, hörte noch die ein oder andere Unterhaltung und erblickte eine kleine Schar, die die Wache in dieser Nacht übernommen hatte und einen Kontrollgang machte. Sie leuchteten die Zäune ab, gingen die Pfade ab, erkundeten die weiten Felder, bis sie plötzlich, im Dickicht des Waldes, Männer erblickten. Räuber! Sie packten und fesselten sie und schleppten sie auf den Versammlungsplatz. Alle Gruppen kamen aus ihren Zelten gestürmt, um die Räuber für das zu bestrafen, was sie uns angetan hatten. Wenn es uns selbst möglich war die Räuber zu fangen, unsere eigene Gerechtigkeit auszuführen und uns zu verteidigen, wozu brauchten wir dann noch einen Sultan? Mit all seinen Regeln, Einschränkungen und Geboten zwängte er uns in ein Leben, das wir so nicht gewollt hatten, von dem wir loskommen wollten, damit wir endlich wieder in Freiheit leben könnten. Er hatte es nicht einmal geschafft die letzte Gruppe zurückzubringen, sondern hatte sie ihrem eigenen Weg überlassen und sie sich alleine durchschlagen lassen.
Auch wenn wir den Nachmittag damit verbracht hatten unsere Lager weiter einzurichten und uns ein Zuhause zu schaffen, würden wir all das am morgigen Tag riskieren, indem wir von dem Sultan fordern würden, was uns zustand.